Predigt am 1. Advent A26

Mt 24,29-44

30.11.2025

Liebe Schwestern und Brüder!

1.  Der Advent, so sagt man, sei eine Zeit der Sehnsucht. Die Erwartung des Weihnachtsfestes, die Weihnachtsmärkte, der Lichterzauber und die Glühweinbuden: Der Advent hat seinen eigenen Charakter, als ahnten die Menschen, dass die Welt auch anders aussehen könnte, als gäbe es doch eine Utopie, einen Ort, der noch kein Ort ist, an dem sich die Sehnsucht nach Frieden und Gerechtigkeit erfüllt hat.

2. In der ersten Lesung wurde die Sehnsucht thematisiert: „Am Ende der Tage wird es geschehen: Der Berg mit dem Haus des Herrn steht fest gegründet. Zu ihm strömen alle Völker Dann schmieden sie Pflugscharen aus ihren Schwertern und Winzermesser aus ihren Lanzen. Man übt nicht mehr für den Krieg.“ So sollte es sein. Dahin sollten wir kommen. Gerade in Kriegsgebieten oder in unruhigen Zeiten wächst diese Sehnsucht.

3. Aber so vieles steht bis dahin im Weg. So viele Steine, die zu schwer erscheinen, müssten weggeräumt werden. Es müssten förmlich Sonne und Mond aufhören zu leuchten und die Sterne vom Himmel fallen, übersetzt heißt dieses Bild: Es müssten unsere Ordnungen, unsere Ideale, unsere Maßstäbe und Orientierungspunkte förmlich zerstört werden, damit ein Neuanfang möglich ist.

4. Und da kam eines Tages einer, ein Phantast, ein Verrückter, wie ihn selbst seine Angehörigen nannten, oder ein gefährlicher Umstürzler, wie ihn die Mächtigen seiner Zeit fürchteten, und lebte dieses Neue. Alter Ordnungen gerieten völlig ins Wanken. Da stellt er sich hin und sagt so Dinge wie: „Wenn dich einer auf die eine Wange schlägt, dann halte auch die andere hin und wenn dich jemand zwingt, eine Meile mit ihm zu gehen, dann gehe zwei mit ihm“. Oder: „Betet für die, die euch verfolgen und liebt eure Feinde“, und er erzählt schöne Geschichten, wie die vom verlorenen Sohn oder von den Arbeitern im Weinberg, die alle den gleichen Lohn bekommen, egal wie lange sie gearbeitet haben. Und er redet nicht nur, er handelt: Man findet ihn bei den Ausgegrenzten und Unreinen, Sündern und Armen. Alte Maßstäbe zerbröseln und fallen wie Sterne vom Himmel. Aber für dieses Leben musste er bezahlen. Das Alte gewann wieder die Überhand gegenüber dem Neuen. Sie kreuzigten ihn. Aber selbst die Art, wie er in den Tod ging, kündete noch von dem Neuen.

5. Aber Gott hat ihn durch die Auferstehung bestätigt. Das Neue hat Zukunft. Und seitdem gibt es bei heute Menschen, die das Neue leben und verkünden, Menschen, die Zeugen Christi sind. Menschen, die die Sehnsucht leben, Menschen, die wirklich im Advent sind, im Vorläufigen, und daraufhin leben wollen, dass endlich das Neue zum Durchbruch kommt.

6. Advent: Zeit der Sehnsucht. Glühwein und Lichterketten, das ist zu wenig. Der Advent als Sehnsucht muss gelebt werden, damit sich die Sehnsucht erfüllt. Und dann wird er, Christus, erscheinen und der Mensch erkennt in ihm das Abbild seiner eigenen Menschlichkeit, die er nur zu leben bräuchte.

Franz Langstein