Predigt an Himmelfahrt 2024 

                                                                                        Apg 1,1-11           

09.05.2024

Liebe Schwestern und Brüder!

1.Wenn wir solche schönen Erzählungen aus der Bibel hören wie vorhin die Erzählung der Himmelfahrt Jesu, dann denke ich, ist uns klar, dass es hier nicht um historische Berichte geht, sozusagen um eine Dokumentation, was genau damals sich ereignet hat. Nein, solche Erzählungen sind eigentlich Meisterwerke, die es verstehen, das, was die Menschen an Fragen und Glauben in ihren Herzen tragen, in Geschichten packen. Mit anderen Worten: was wir hören, sind zu Geschichten geronnener Glaube, in Erzählungen widergespiegelte Fragen und Sorgen der damaligen Gläubigen. Wir müssen also aus den Erzählungen heraushören, was die Christen damals bewegt hat, heraushören, worauf diese Erzählung eine Antwort geben möchte.

2. Ich denke, das kann man hier sehr deutlich heraushören: „Als sie nun beisammen waren, fragten die Jünger Jesus: Herr, stellst du in dieser Zeit das Reich für Israel wieder her?“ Stimmt, da ist ja noch was offen, was die Christen bewegt: Das Reich Gottes ist ja noch nicht sichtbar oder fühlbar erschienen. Da steht noch eine alte Verheißung aus. Da ist ein Versprechen noch nicht eingelöst. Da sind noch Hoffnungen nicht erfüllt, die die Menschen mit Jesus verknüpfen. Als die Apostelgeschichte verfasst wurde, da war der Tempel von Jerusalem war zerstört und das Volk Israel hatte als Nation aufgehört zu existieren. Also: „Wann wirst du das Reich für Israel wiederherstellen?“

3. Die Antwort Jesu ist klar: „Euch steht es nicht zu, Zeiten und Fristen zu erfahren, die der Vater in seiner Macht festgesetzt hat“. Menschsein und Christsein ist kein Wunschkonzert. Es steht uns nicht zu, Gott für unsere Zwecke zu instrumentalisieren und ihm Vorschriften zu machen oder ihn wohlmeinende Bitten vorzutragen darüber, was jetzt dran zu sein hat und was er zu tun hat.

4. Und nun fällt auf, wie sehr die Texte Folgendes betonen: „Ihr werdet Kraft empfangen, wenn der Heilige Geist auf euch herabkommen wird; und ihr werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa bis an die Grenzen der Erde.“ Auch das heutige Evangelium betont dies: „Geht hinaus in die ganze Welt und verkündet das Evangelium der ganzen Schöpfung!“ Die Botschaft dieser Erzählung wird nun deutlich: In euren Händen liegt es, ob das Reich Gottes erfahrbar wird. Ihr werdet mit der Liebe und Kraft Christi, mit dem Heiligen Geist, ausgestattet. Handelt danach, lebt danach! Wissen Sie, manchmal denke, wenn wir Fürbitten halten und wir sagen manchmal: „Wir bitten dich Gott, schenke Frieden“, dann denke: Es ist umgekehrt: Gott bittet uns, dass wir doch endlich Frieden machen sollten. Nicht wir sollten Gott bitten, sondern wir sollten heraushören, dass Gott uns bittet: „Geht hinaus in die ganze Welt und werdet meine Zeugen“.

5. Und die Erzählung von der Himmelfahrt treibt es jetzt an die Spitze: Er verschwindet einfach. Er ist weg. Fertig! Nun seht zu. Und sie stehen da und schauen hilflos nach oben, bis zwei Engel ihnen sagen muss: „Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr da und schaut zum Himmel empor?“

6. Also in Geschichte gekleidete Theologie, in Erzählung gekleideter Glaube: Christus hat uns das Reich Gottes anvertraut. Es nutzt nichts, nach oben zu schauen und ihn für uns zu vereinnahmen. „Fass mich nicht an“, hat Jesus sehr schroff zu Maria Magdalena gesagt, als sie ihn am Grab hat stehen. An uns liegt es jetzt. Er, Christus, hat alles für uns getan. Er hat gezeigt, wie Leben gelingen kann. Er hat gezeigt, wie sogar im Leiden und Sterben etwas von der Liebe Gottes durchscheinen kann. Er hat gezeigt, dass wir ganz mit ihm verbunden sind, im Heiligen Geist. Es ist also von Gott her alles bereitet. Wir brauchen nicht mehr ängstlich um uns selbst zu kreisen. Gott hat uns befreit zu neuem Leben. In der Kraft seines Geistes ist er unter uns und weiterhin unter uns erfahrbar. Aber es liegt an uns: „Geht hinaus und werdet meine Zeugen.“

      Franz Langstein