Predigten am 2. Ostersonntag C25

                                                                                  

Joh 20, 19-31

27.04.2027

Liebe Schwestern und Brüder!

  1. „Am Abend jenes ersten Tages der Woche, als die Jünger versammelt waren“, so begann das Evangelium. Also eine ähnliche Versammlung wie hier: Am Abend jenes ersten Tages, am Abend des Sonntags. Und noch eine Ähnlichkeit: Es war damals eine kleine Schar von Menschen, die sich versammelt hatten. Gut, im Vergleich zu damals, sind wir viele, sehr viele. Und wir versammeln uns in großen Räumen. Und dennoch aber sind wir eine Minderheit. Mittlerweile eine klare Minderheit. Und Minderheiten sind in einer großen Gefahr: Sie schotten sich ab. Wie die Jünger damals: „Am Abend jenes ersten Tages der Woche, als die Jünger versammelt waren“, und zwar „hinter verschlossenen Türen“. Wieder eine Parallele zu uns? Nun könnte man sagen: Wir werden doch nicht müde, zu betonen, dass die Türen unserer Kirche offen sind für alle. Aber je mehr wir genau das betonen, desto uninteressanter werden wir. Offensichtlich scheinen wir es nötig zu haben zu betonen, dass unsere Kirche offen ist für alle. Je mehr wir das betonen, um so mehr merken die Menschen, dass wir das nötig haben und werden misstrauisch. „Verschlossene Türen“ kann die Sprache unserer Liturgie sein, die kaum noch jemand versteht; das können die Riten sind, hinter denen wir uns verschanzen; das kann die Furcht sein, belächelt zu werden; das kann die Ahnung sein, wir könnten mit unseren Glaubensvorstellung hinterwäldlerisch sein; das könnte das Gefühl sein, als Christen ein Fremdkörper in der Gesellschaft zu; das könnte die Frustration sein, erfolglos und wirkungslos zu sein usw. Also bleiben wir unter uns an jenem Abend des ersten Tages der Woche.
  1. „Da trat Jesus in ihre Mitte und sagte: Der Friede sei mit euch“. Er kommt als der Gekreuzigte in ihre Mitte: „Nach diesen Worten zeigte er ihnen seine Hände und seine Füße“. Als der Gekreuzigte, der so viel Leid, Hass, Gewalt, Schmerz erlebt hat, sagt er ihnen den Frieden zu. Was für ein Vertrauen strahlt Jesus hier aus! Mit diesen Worten will er der verängstigten Schar Mut zureden, sie öffnen aus der Verschlossenheit. Es ist der Friede des Herrn, den wir uns in jeder Liturgie zusagen: „Dominus vobiscum“. Jesus will, dass die Seinen im selben Frieden und aus demselben Frieden leben, wie er selbst. Das heißt dann: Legt ab die Furcht, werden friedensfähig, nicht kriegstüchtig. Werdet versöhnt mit euch, mit dem Leben, mit den anderen, mit Gott. Als der Gekreuzigte mit den Wundmalen am Leib steht er vor ihnen und sagt so einen Satz: „Friede sein mit euch“. Und er fügt gleich an: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch“. Und sofort haucht er sie an und sagt: „Empfangt den Heiligen Geist“. Es ist jener Geist, der in Jesus lebendig war und lebendig macht. Es ist der Geist der Liebe und der Furchtlosigkeit, der Hoffnung und des Vertrauens. Es ist jener Geist des Mitleidens. Es ist jener Geist, der sich um der Liebe und Wahrheit willen Wunden schlagen lässt, der mitleidet, wenn Menschen leiden. Es ist jener Geist, der in uns für Unruhe sorgt, gegen die Gleichgültigkeit. Es ist jener Geist, der uns fähig macht, neue Wege zu beschreiten, wo sie beschritten werden müssen. Es ist – kurz gesagt – jener heilsame Geist für uns, für die Menschen, für die Welt.
  1. Und am Pfingstfest, so feiern wir es, werden die Jünger von jenem Geist erfasst, der sie alle Türen sprengen lässt und ihnen Mut macht, die Botschaft zu leben und zu verkünden. Was für ein Bild: Nicht das Bild einer sich verschanzenden Kirche, in ihren Riten und Floskeln erstarrten Kirche, einer Kirche, die mehr auf sich achtet als auf die Menschen, einer Kirche, deren das Heil und die Unversehrtheit ihrer Rechtsvorschriften und Dogmen wichtiger ist als das Heil und die Unversehrtheit der Menschen. Es ist jener Geist, der die Verschlossenheit sprengt und Neues wagt. „Am Abend des ersten Tages der Woche, als die Jünger hinter verschlossenen Türen versammelt waren, kam Jesus in ihre Mitte und sagte: Der Friede sein mit euch“. So kommt er auch jetzt, an unserem Abend des ersten Tages, wenn wir hier hinter Mauern versammelt sind und sagt uns: „Der Friede sein mit euch. Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch.“


Franz Langstein