Predigt am 3. Advent A26

Jak 5,7-16; Mt 11,2-11

14.12.2025

Liebe Schwestern und Brüder!

1. „Haltet geduldig aus bis zur Ankunft des Herrn! Auch der Bauer wartet auf die kostbare Frucht der Erde, er wartet geduldig, bis im Herbst und im Frühjahr der Regen fällt.“ Was für schöne Zeilen über die Geduld. Johannes Brahms, der große Komponist des 19. Jahrhunderts, hat diese Zeilen vertont in seinem berühmten Werk: „Ein Deutsches Requiem“. (Wir hören uns das mal an, von 3‘41‘‘ an). „Siehe, ein Ackermann wartet auf die köstliche Furcht der Erde und ist geduldig darüber, bis er empfangen den Morgen- und Abendregen“. Alles hat seine Zeit. Das weiß der Geduldige.

2. Es ist schon vielsagend, wie Johannes Brahms diese Zeilen vertont hat, mitten in einem Requiem, also einem Musikstück, dass den Tod zum Thema hat. Diese Zeilen stehen im zweiten Satz, der mit den Worten beginnt: „Denn alles Fleisch, es ist wie Gras, und alle Herrlichkeit des Menchen wie des Grases Blumen“. Diese Zeilen sind im dunkelsten b-moll komponiert, düster, beklemmend. Und die Zeilen, die wir gehört haben, stehen in einem klaren und zuversichtlichen Ges-Dur. Damit ist klar: Die Geduld ist deshalb notwendig, weil es etwas zu erhoffen gibt. Die Geduld ist Ausdruck einer Hoffnung. Die Geduld erhofft etwas Gutes, das in der Zukunft liegt. Die Geduld lebt aus der Hoffnung und hält Ausschau nach dem Künftigen.

3. Und damit ist klar: Hoffnung und Geduld gehören zusammen. Und noch etwas wird deutlich: Geduld und Hoffnung sind Ausdrucksformen des Glaubens. Der Glaube erstreckt sich auch auf etwas Künftiges und auf jemand Künftigem, das in Hoffnung und Geduld erwartet wird. Und das kann für uns zweierlei bedeuten:

- Das noch Künftige ist auch noch das Ausstehende. Verborgen, unsichtbar. Es wird nur geglaubt, nicht gewusst, sondern bloß erhofft. Karl Rahner hat das mal mit folgender Formulierung auf die Spitze getrieben: „Müssen wir als Christen nicht Häuser bauen auf ein bloß Erhofftes und Geglaubtes? Müssen wir nicht oft mit der Torheit Gottes den Spatzen in der Hand auf Erden fliegen lassen zugunsten der Taube auf dem Dach des Himmels?“ Das heißt doch: Häuser bauen auf ein bloß Erhofftes und den Spatzen in der Hand loslassen zugunsten der Taube auf dem Dach, die man nicht hat: Man müsste uns anmerken, dass wir geduldig Hoffende und somit Glaubende sind. Wir leben im Advent. Wir leben im Vorläufigen. Wir wissen um die Hinfälligkeiten des Lebens, um die Schicksale, die einen jeden treffen kann. Da braucht es manchmal wirklich viel Geduld, die sich aus Hoffnung speist. Das ist Glaube und Vertrauen.

- Und damit kommen wir zum zweiten Punkt, den wir heute erschreckend im Evangelium gehört haben. Johannes der Täufer sitzt im Kerker, weil er es gewagt hat, dem Herrscher seines Landes die Wahrheit zu sagen. Da sitzt er nun im dunklen Kerker; vielleicht auch ein Bild des Advents? Johannes hat wie kaum ein anderer aus der Hoffnung gelebt, dass der Messias kommen werde. Und nun sitzt er im Gefängnis, den Tod vor Augen. Und der Messias scheint nichts zu unternehmen, ihn dort rauszuholen. „Bis du es, der da kommen soll?“ Mit dieser beklemmenden Frage sendet er Leute zu Jesus. Und Jesus antwortet mit ein paar Wundererzählungen: „Geht und berichtet Johannes, was ihr seht: Blinde sehen wieder, und Lahme gehen; Aussätzige werden rein, und Taube hören.“ Karl Rahner merkt dazu an: „Es ist nicht leicht, als erledigter Prophet hoffnungslos im Kerker zu sitzen, auf den sicheren Tod zu warten und sich dabei für Wunder zu interessieren, die einem selbst nicht helfen“. Aber, so schreibt Rahner weiter: „Der Täufer glaubt“. Er glaubt, weil er erfüllt ist von einer Hoffnung, mag sie noch so irrational sein (gibt es bei Gott überhaupt etwas, das allein nach den Maßstäben unserer Rationalität gemessen werden kann?) und er übt sich in der Kraft dieser Hoffnung in Geduld.

4. Ist das nicht ein Bild unseres Glaubens und Lebens? Wir sitzen im Leben fest, eingesperrt zwischen Geburt und Tod, sozusagen in einem lebenslangen Advent, voller unbeantworteter Fragen, Zweifeln, ausgeliefert den eigenen Schwächen und Tragödien des Lebens. Und doch: Wir glauben und hoffen auf und üben uns Geduld, denn alles hat seine Zeit. So gehen wir einen Weg des Wachstums im Glauben und Hoffen und der christlichen Reife. Wir sind adventliche Menschen und leben im Vorläufigen auf das Ewige hin.

Franz Langstein