Predigt am Christkönigssonntag C25

Lk 23,35-43

23.11.2025

Liebe Schwestern und Brüder!

1.  Die Kirche feiert am letzten Sonntag des Kirchenjahres Christus als König. Sie feiert seine Herrschaft, seine Herrlichkeit. Mit vielen Hoheitstiteln hat sie Christus belegt: Der Pantokrator, der Herrscher über das All, der König der Könige, der Allmächtige, der zur Rechten des Vaters Thronende usw. Man wäre gespannt, wie denn so ein Herrscher aussähe mit all den großen Titeln.

2. Und da stellt uns dieselbe Kirche diesen Christus als König vor: Er hängt am Kreuz und wird verspottet. Von den führenden des Volkes: „Anderen hat der geholfen, nun soll er sich selbst helfen“. Auch die Soldaten verspotteten ihn: „Wenn du der König der Juden bist, dann hilf der selbst!“ Jesus wird in seiner Ohnmacht vorgeführt und bloßgestellt. Und zum Spott wurde auch noch ein Schild ans Kreuz geheftet: „Das ist der König der Juden“. Wie passt das zusammen: Ein König als Allherrscher, und dieser Mensch am Kreuz. Wer behauptet, dass Jesus ein König ist, sollte nicht gerade die Geschichte erzählen, die wir gerade im Evangelium gehört haben. Und wenn er so etwas tut, dann muss das einen Grund haben.

3. Ein König ist normalerweise jemand, der Macht hat, ja Macht braucht, um seiner Aufgabe als König nachkommen zu können. Denn ein König trägt Verantwortung für das Volk. Und um dieser Verantwortung nachkommen zu können, braucht er Macht, Herrschaft und Autorität. Ein Ohnmächtiger hat keinerlei Verantwortung. Das wissen auch die Spötter. Von daher verhöhnen sie ihn: Du behauptest Macht zu haben, zeige sie uns nun.

4. Das wirft also die Frage auf: Was ist mit „Königtum Christi“ gemeint, wenn uns da heute ein ans Kreuz Geschlagener in seiner ganzen Ohnmacht vor Augen gestellt wird: Auf jeden Fall: Mit Christus und mit Berufung auf Gott lässt sich keine Herrschaft begründen oder gar ausüben. Der da hängt, hat weder Herrschaft noch Macht. Christus ist auf eine Art und Weise König, die vollkommen anders ist und vollkommen im Widerspruch steht zu dem, was wir unter „König“ verstehen. Wir müssen völlig umdenken, so umdenken, dass selbst vertraute Sätze zu hinterfragen sind: Gott, bitte zeige mir, was dein Wille ist und was ich tun muss! Hier bittet man Gott, er möge doch Macht über mich ausüben und mir klar machen, was ich tun muss. Als mal ein höherer Kirchenmann sagte, man solle doch Gott bitten, dass er uns in den schwierigen Zeiten doch zeigen möge, was wir tun sollen, da habe ich diesen gebeten, lieber nicht so Gott zu bitten. Am Ende zeigte uns Gott tatsächlich, was wir tun sollten. Das könnte sehr unangenehm werden. Oder wenn um den Erfolg des eigenen Tuns gebetet wird oder wenn Menschen im Namen Gottes Krieg führen und um Erfolg bitten, oder wenn im Namen Gottes Macht über Menschen ausgeübt wird – das alles geht nach dem heutigen Evangelium nicht mehr. Da hängt er, der Christus, der König, und kann nichts mehr machen. Machtlos, wehrlos, gewaltlos. Aber immer wieder ist die Gefahr, dass man sich doch wünscht, Gott möge Macht übernehmen, ja Verantwortung für das Leben übernehmen. Aber so, ohne einen machtvollen Gott, ist alles viel schwieriger. Jetzt haben wir eine Freiheit, in die Gott nicht hineinpfuscht. Und wir sind mit dieser Freiheit überfordert. Der Großinquisitor in Dostojewskis Roman „Die Brüder Karamasoff“ weiß darum und klagt Christus an: „Hättest du Krone und Schwert genommen, so hätten sich dir alle freudig unterworfen. In einer einzigen Hand wäre die Herrschaft über die Leiber und über die Seelen vereint, und das Reich des ewigen Friedens wäre angebrochen. Du hast es versäumt … Du stiegst nicht herab vom Kreuz, als man dir mit Spott und Hohn zurief: Steig herab vom Kreuz, und wir werden glauben, dass du Gottes Sohn bist. Du stiegst nicht herab, weil du die Menschen nicht durch ein Wunder zu Sklaven machen wolltest, weil dich nach freier und nicht nach einer durch Wunder erzwungenen Liebe verlangte …“

5. Und ich finde das, so brutal dieses Bild des ohnmächtig Gekreuzigten ist, auf seine Weise sehr wertvoll. Da ist Jesus endlich mal Mensch. Nicht der Wunderheiler, nicht der, der plötzlich vom Kreuz herabkommt, der Mächtige. Hier ist er ganz Mensch und den Gesetzen des menschlichen Daseins unterworfen. Jetzt ist Jesus ganz Mensch geworden. Was Weihnachten begonnen hat, vollendet sich hier: Die Menschwerdung. Hier ist Jesus nun ganz eins mit uns, mit unseren Ängsten, unserer Ohnmacht, unseren Leiden und Sterben. Und gerade ein Verbrecher, nicht die Führer des Volkes, sondern ein Verbrecher erkennt im Kreuzestod Jesu die tiefe Solidarität mit den Menschen und mit ihm und bittet: „Denk an mich, wenn du in deiner Macht als König kommst.“ Und Jesus antwortet ihm mit einem Satz, den nur ein göttlicher König sagen darf: „Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein“. Sein Königtum ist keines der Macht, aber eines Königtum einer Liebe, die für uns völlig unverständlich erscheinen mag.


Franz Langstein