Studentin der Hochschule Fulda macht Praktikum im Gefängnis
Eine JVA
ist keine ‚Black Box‘
Um sich ein eigenes Bild
gesellschaftlicher Zusammenhänge und von Interkulturalität eines Gefängnisses
machen zu können, hat Maja-Lina Lauer, BASIB- Studentin der Hochschule Fulda,
ein 3 monatiges Praktikum in der Justizvollzugsanstalt Hünfeld erfolgreich
absolviert. Seit Herbst 2021 beschäftigt sich die 21 jährige Bachelor-Studentin
im Rahmen der Gefängnisseelsorge intensiv mit interkulturellen, spirituellen
und sozial-politischen Themen im Kontext der Justiz und Gefängniskirche und
zwar aus unterschiedlichen disziplinären Perspektiven.
Hochschule
Fulda (University of Applied Sciences )
BASIB (Sozialwissenschaften mit
Schwerpunkt Interkulturelle Beziehungen B.A.) ist ein 6-semestriger
sozialwissenschaftlicher Studiengang an der Fuldaer Hochschule. Zuwanderung und
Einwanderung, gesellschaftliche Eingliederung, (Re-)Sozialisierung und
internationale Mobilität werden auch in deutschen Gefängnissen stärker sichtbar
und immer mehr diskutiert. „In meinem Studium versuchen wir menschlich und auf
eine professionelle Weise diese Thematiken zu reflektieren und zu bearbeiten,“
betont Frau Lauer, die eine Laufbahn als Journalistin anstrebt. „Es geht bei
BASIB vor allem um die Entwicklung unserer individuellen Kompetenzen“ erklärt
die Studentin. „Weitere Themen sind: Umgang mit Interkulturalität, Betrachtung
interkultureller Themen, Fähigkeit zur Wahrnehmung, Analyse und Handeln,
Reflexion gesellschaftlicher und globaler Zusammenhänge sowie kritischer Umgang
mit Ausgrenzung und Diskriminierung.“
Begegnung mit
gesellschaftlichen Schattenseiten
In ihrem Praktikumsbericht
schreibt die Studentin über ihre Erlebnisse und Eindrücke: „Gefängnis
bedeutet immer auch eine Auseinandersetzung und Begegnung mit
gesellschaftlichen Schattenseiten. Ich bin sehr froh über die Offenheit und
Ehrlichkeit, mit denen mir während meines Praktikums begegnet wurde. Ebenfalls
positiv und vor allem erlebnisreich waren für mich die Erfahrungen mit den
Gefangenen. Beispielsweise hatte ich die Möglichkeit, bei den Weihnachtsfeiern
der JVA Hünfeld und der JVA Fulda, bei einigen ökumenischen Gottesdiensten und bei
der Musikgruppe (mit Herrn Zschorn von ‚Divine Concern‘) mitzuwirken. Auch bei
den persönlichen Besuchen, die der Gefängnisseelsorger durchs Haus bei den
einzelnen Häftlingen machte, durfte ich ihn begleiten. So hatte ich die
Möglichkeit, mir selbst ein Bild zu machen und die Menschen kennenzulernen, die
Institutionen sowie ihre Funktionsweise zu verstehen. Die Begleitung empfand
ich dabei als sehr hilfreich, auch die Reflektionen in Form von Gesprächen und weiteren
Anregungen. Das hat mir sowohl persönlich und als auch meinem Studium sehr
geholfen, Dinge für mich einzuordnen und neu zu strukturieren… Für mich
bedeutet Gefängnis nach dem Praktikum zwar Verschlossenheit, aber es ist keine
mysteriöse ‚Black Box‘ mehr. Dafür bin ich dankbar.“
Praktikum bei der
Gefängnisseelsorge
Das Praktikum wurde ermöglicht mit
der freundlichen Unterstützung der Justiz, dem Anstaltsleiter, Leitender
Regierungsdirektor Lars Streiberger, der Firma Steep und der Seelsorge. „Die vergangenen 3 Monate waren sehr wertvoll und die Zusammenarbeit mit Frau
Lauer und der Hochschule Fulda eine Bereicherung,“ betont der Praktikumsbegleiter,
Gefängnisseelsorger Diakon Dr. mult. Meins Coetsier. „Ich wünschte, dass mehr junge
Menschen Interesse an Themen wie Interkulturelle Beziehungen und Gesellschaft
zeigen würden.“ Als Niederländer in Deutschland, promovierter
Kulturwissenschaftler, Philosoph und Theologe im Knast, erlebt der Diakon
selbst, wie wichtig, aber auch wie schwierig solche gesellschaftlichen Themen
und Herausforderungen im Alltag sein können.
„Ein großes Dankeschön an die
JVA Hünfeld und an meine Uni!“ bestätigt die Studentin mit einem Lächeln,
während sie am letzten Praktikumstag im Kirchenraum nochmal den Sternenhimmel anschaut:
„Im Kern ist es wohl das, was
ich allen wünsche, Mitarbeitenden wie auch Gefangenen, dass sie ihren Platz,
ihre Art finden, ein glücklicher Teil der Gesellschaft zu sein, und dass die
Gesellschaft als Ganzes eines Tages zu einem perfekten Puzzle wird, weil sie
selbst bereit ist, sich dynamisch zu wandeln, auf den einzelnen Menschen
einzugehen und dabei das Ganze als Einbettung und größeres Ganzes nicht aus dem
Blick zu verlieren.“ (pm)
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